10 arbeitsrechtliche Fragen zum Coronavirus

10 arbeitsrechtliche Fragen zum Coronavirus

Aufgrund der aktuellen Corona-Krise haben wir für unsere Mandanten sowie für alle Interessierten die uns in den letzten Tagen am häufigsten gestellten 10 arbeitsrechtlichen Fragen für Sie zusammengefasst und beantwortet. Wir möchten vorsorglich darauf hinweisen, dass trotz sorgfältiger Überprüfung, kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht und dass die Antworten eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen können

  1. Welche Rechtsfolgen ergeben sich, wenn ein Arbeitnehmer am neuartigen Coronavirus erkrankt?
  2. Wie ist die Rechtslage, wenn ein Arbeitnehmer aus Angst, sich selbst mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2) zu infizieren, nicht zur Arbeit erscheint?
  3. Was gilt, wenn ein gesunder Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anweisung in häusliche Quarantäne muss?
  4. Welche Rechtsfolgen treten ein, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde als Schutzmaßnahme Quarantäne für den Betrieb anordnet, weil von dem Betrieb eine entsprechende Gefahr ausgeht?
  5. Welche Schutzmaßnahmen können Arbeitgeber gegen die Verbreitung des Corona-Virus oder auch anderer Krankheitserreger ergreifen?
  6. Dürfen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nach Hause schicken bzw. ins „Überstundenfrei“ oder in „unbezahlten Urlaub“?
  7. Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn aufgrund der Schließung von Schulen und Kitas keine Betreuungsmöglichkeiten bestehen?
  8. Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch im „Home-Office“ eingesetzt zu werden? Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer ggf. in andere Abteilungen oder gar Betriebsstätten versetzen?
  9. Müssen sich Arbeitnehmer nach Aufforderung durch den Arbeitgeber einem Coronatest zu unterwerfen?
  10. Kann bei Ausfall von Arbeitsstunden aufgrund der Corona-Krise Kurzarbeit vereinbart bzw. angeordnet werden?

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DAS COVID-19-KRANKENHAUS-ENTLASTUNGSGESETZ IM DER AMBULANTEN PFLEGE

1. Welche Rechtsfolgen ergeben sich, wenn ein Arbeitnehmer am neuartigen Coronavirus erkrankt?

Es ist in der Regel davon auszugehen, dass die Erkrankung mit dem SARS-CoV-2 zur Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes führt. Daraus folgt, dass dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zusteht. Der Anspruch ist grundsätzlich auf einen Zeitraum von maximal sechs Wochen begrenzt. Anschließend könnte der gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer von seiner Krankenkasse Krankengeld entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen erhalten.

Praxistipp:
Infiziert sich ein Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit mit dem neuartigen Coronavirus, fällt dieser Krankheitsfall unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.




2. Wie ist die Rechtslage, wenn ein Arbeitnehmer aus Angst, sich selbst mit dem Corona-Virus (SARS-CoV-2) zu infizieren, nicht zur Arbeit erscheint?

In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer kein Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu. Der Arbeitnehmer gefährdet aber ggf. seinen Arbeitsplatz, da er letztlich unentschuldigt fehlt. Bei einer beharrlichen Arbeitsverweigerung wäre sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich. 




3. Was gilt, wenn ein gesunder Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anweisung in häusliche Quarantäne muss?

In diesem Fall gelten die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (§ 56 IfSG).
Der Arbeitgeber muss das Arbeitsentgelt für seine Arbeitnehmer bis zu 6 Wochen weiterzahlen. Er kann aber einen Erstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde geltend machen.Das gilt auch für Selbstständige. Auch ihnen wird Verdienstausfall für 6 Wochen gezahlt. Zudem können Selbstständige einen Antrag auf Gewährung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlichen Entschädigung stellen und in existenzbedrohenden Fällen können auf Antrag auch entstehende Mehraufwendungen in angemessenem Umfang und nicht gedeckte Betriebsausgaben geltend gemacht werden.

In diesem Fall gelten die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (§ 56 IfSG).
Der Arbeitgeber muss das Arbeitsentgelt für seine Arbeitnehmer bis zu 6 Wochen weiterzahlen. Er kann aber einen Erstattungsanspruch gegenüber der zuständigen Behörde geltend machen.

Das gilt auch für Selbstständige. Auch ihnen wird Verdienstausfall für 6 Wochen gezahlt. Zudem können Selbstständige einen Antrag auf Gewährung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlichen Entschädigung stellen und in existenzbedrohenden Fällen können auf Antrag auch entstehende Mehraufwendungen in angemessenem Umfang und nicht gedeckte Betriebsausgaben geltend gemacht werden.

Praxistipp:
Der entsprechende Antrag ist innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach dem Einstellen der Tätigkeit zu stellen. Nach dem Auslaufen der Entgeltfortzahlung kann der Mitarbeiter Krankengeld beantragen.




4. Welche Rechtsfolgen treten ein, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde als Schutzmaßnahme Quarantäne für den Betrieb anordnet, weil von dem Betrieb eine entsprechende Gefahr ausgeht?

Sollte es hierzu kommen, muss der Arbeitgeber das Gespräch mit der Behörde suchen, da Quarantänemaßnahmen auch zwangsweise durchgesetzt werden können. Bei Weigerung kann das Gesundheitsamt im Rahmen einer so genannten Ersatzvornahme gegebenenfalls unter Hinzuziehung der Polizei die Schließung vornehmen.

Wenn der Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung unter Quarantäne gestellt wird, besteht weiterhin ein Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer. Das Risiko liegt in diesem Fall beim Arbeitgeber. Gegebenenfalls können Sie in diesem Fall mit den Arbeitnehmern Kurzarbeit (siehe hierzu Frage 10) oder, soweit möglich, die Weiterarbeit im Home-Office (siehe hierzu Frage 8) vereinbaren.




5. Welche Schutzmaßnahmen können Arbeitgeber gegen die Verbreitung des Corona-Virus oder auch anderer Krankheitserreger ergreifen?

Arbeitgeber sind im Rahmen ihrer so genannten Fürsorgepflicht dafür verantwortlich, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. So können z.B. Desinfektionsmittel bereitgestellt und körperlicher Kontakt, wie beispielsweise Hände schütteln, untersagt werden. 

Praxistipp:
Arbeitgeber sollten sich an den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden und des Robert-Koch-Instituts (www.rki.de/covid-19)orientieren.




6. Dürfen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nach Hause schicken bzw. ins „Überstundenfrei“ oder in „unbezahlten Urlaub“?

Arbeitgeber sind grundsätzlich zur Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer verpflichtet. Eine einseitige, unbezahlte Beurlaubung bzw. Festlegung eines Überstundenausgleichs dürfte nicht zu einem Verlust des Entgeltanspruchs des Arbeitnehmers führen.

Praxistipp:
Vereinbaren Sie gegebenenfalls mit ihren Arbeitnehmern ein Überstundenabbau bzw. bezahlten oder unbezahlten Urlaub. Vorsicht ist lediglich geboten, wenn es um längere, unbezahlte Freistellungen geht, da im Falle der so genannten Beschäftigungslosigkeit der Arbeitnehmer ggf. keinen Krankenversicherungsschutz mehr genießt.




7. Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn aufgrund der Schließung von Schulen und Kitas keine Betreuungsmöglichkeiten bestehen?

Für das Pflegepersonal bzw. für Ärzte und andere systemrelevante Berufe gelten zwar augenblicklich Sonderregelungen zur Betreuung in Kindertagesstätten und Schulen; diese greifen jedoch nur dann, wenn beide Elternteile zu der besonderen systemrelevanten Berufsgruppe gehören. Für alle weiteren Arbeitnehmer gilt, dass sofern sie ihr Kind nicht anderweitig betreuen lassen können, ein so genannter Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber besteht, zumindest wenn das Kind nicht älter als 12 Jahre alt ist. Das Gesetz sieht vor, dass sofern nur eine vorübergehende Arbeitsverhinderung besteht, der Arbeitgeber verpflichtet ist, das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Hier kommt es allerdings auf die vertraglichen bzw. etwaige einschlägige tarifvertraglichen Regelung an. Einige Arbeitsverträge sehen auch den Ausschluss von Entgeltfortzahlungsansprüchen bei nur vorübergehender Arbeitsverhinderung vor. Ist die Arbeitsverhinderung von vornherein längerfristig, dürfte auch der gesetzliche Anspruch ausgeschlossen sein, da nach herrschender Meinung der Anspruchszeitraum auf max. 5 Tage begrenzt ist. Geht die Verhinderung über diesen Zeitraum hinaus, besteht auch kein anteiliger Anspruch.

Praxistipp:
Die Fragestellungen zur vorübergehenden Arbeitsverhinderung, insbesondere zur Entgeltfortzahlungspflicht sind umstritten. In der arbeitsrechtlichen Literatur werden unterschiedliche Auffassungen hierzu vertreten. Hier ist im Einzelfall eine individuelle Beratung notwendig.




8. Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch im „Home-Office“ eingesetzt zu werden? Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer ggf. in andere Abteilungen oder gar Betriebsstätten versetzen?

Grundsätzlich besteht ein Anspruch, im „Home-Office“ eingesetzt zu werden, nur, wenn eine entsprechende Vereinbarung geschlossen worden ist.

Der Einsatz von Mitarbeitern in anderen Abteilungen (z.B. Mitarbeiter einer geschlossenen Tagespflegeeinrichtung in Nordrhein-Westfalen soll im ambulanten Dienst eingesetzt werden) ist grundsätzlich möglich, wenn es im Arbeitsvertrag vereinbart ist oder der Arbeitseinsatz durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist. Gegebenenfalls ist im Arbeitsvertrag/Tarifvertrag auch eine Versetzungsklausel vereinbart, die den Einsatz in anderen Abteilungen/Betrieben erlaubt. Komplizierter kann es sein, wenn beispielsweise Tagespflegeeinrichtung und ambulanter Dienst rechtlich selbstständigen Unternehmen angehören. Hier müsste geprüft werden, ob gegebenenfalls eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt oder ob ein vorübergehender Einsatz im anderen Unternehmen möglich ist. Bei einer möglichen Versetzung müssen gegebenenfalls die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bzw. der Mitarbeitervertretung beachtet werden.



9. Müssen sich Arbeitnehmer nach Aufforderung durch den Arbeitgeber einem Coronatest zu unterwerfen?

Grundsätzlich dürfte ein solches Recht nicht bestehen. Ebenso wenig besteht ein Anspruch des Arbeitgebers sich eine Bestätigung des Arztes vorlegen zu lassen, dass der Arbeitnehmer nach einer Erkrankung wieder gesund ist. Regelmäßig bedarf es vor einem Test einer ärztlichen Entscheidung.



10. Kann bei Ausfall von Arbeitsstunden aufgrund der Corona-Krise Kurzarbeit vereinbart bzw. angeordnet werden?

Sofern Arbeitsstunden aufgrund der Corona-Krise entfallen, können Arbeitgeber mit ihren Arbeitnehmern Kurzarbeit vereinbaren. Gegebenenfalls sind die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für Kurzarbeit auch in tarifvertraglichen Regelungen vereinbart. Die Verkürzung der Arbeitszeit dient der Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen. In Betrieben mit Betriebsräten oder Mitarbeitervertretungen ist die Maßnahme mitbestimmungspflichtig.

Kurzarbeit muss bei der Bundesagentur für Arbeit schriftlich angezeigt werden. Im Rahmen der Anzeige muss der Arbeitgeber darlegen, aus welchen Gründen die Kurzarbeit notwendig ist. Nähere Informationen sind auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit erhältlich.

Praxistipp:
Die Bundesregierung wird aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus kurzfristig Änderungen (Erleichterungen) im Kurzarbeitergeld beschließen, die zunächst bis Ende des Jahres 2020 gültig sein sollen. Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

  • Kurzarbeit kann bereits angemeldet werden, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind (bisher lag die Grenze bei einem Drittel der Arbeitnehmer)
  • auf den Aufbau negative Arbeitszeitsalden soll vollständig oder zumindest teilweise verzichtet werden. (Bisher mussten bei schwankenden Arbeitszeiten zur Vermeidung von Kurzarbeit negative Arbeitszeitsalden aufgebaut werden).
  • Die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber wird die Bundesagentur für Arbeit künftig vollständig erstatten (bisher mussten Arbeitgeber 80 % der Sozialversicherungsbeiträge selbst aufbringen).

Die Höhe des Kurzarbeitergeldes lehnt sich an die bisherige Vergütung an. Arbeitnehmer mit Kinderfreibetrag erhalten 67 % der Nettoentgeltdifferenz, alle anderen Arbeitnehmer 60 %.

Thomas Schleipen
RICHTERRECHTSANWÄLTE Köln
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Sozialrecht



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